Test J/99: Ein Performance-Cruiser, der seinen Namen verdient (2024)

Alan Johnstone zeichnet für die Konstruktion der J/99 verantwortlich. Und einmal mehr tut er dies ohne nennenswerte Überraschungseffekte. Soll heißen: Auch die J/99 ist eine typische J, und zwar vom Heck bis zum Bug. Der gemäßigte Deckssprung mit dem relativ niedrigen Freibord, die markant gerundete Bugform und vor allem die nach achtern wieder zulaufenden Linien mit dem eher schlanken Heck charakterisieren generell die Risse von Johnstone, schon seit Jahren.

So kommt nun auch die Neue im Vergleich mit den zunehmend radikalen, ausgefallenen und kantigen Formen der sportlich ausgerichteten Konkurrenzboote geradezu klassisch-konservativ daher – was dem Auge gefallen kann. Die J/99 ist von außen betrachtet attraktiv, mit ansprechenden Linien und stimmigen Proportionen. Auch das schätzen Kunden.

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Der Performance-Cruiser missachtet Formelzwänge

Die Performance-Cruiser von J/Boats werden deshalb auch nicht in ein bestimmtes Vermessungssystem (ORCi oder IRC) hinein konstruiert, sondern sind vielmehr auf eine maximale Performance ausgerichtet. Trotzdem sind Vermessung und Handicap derart wichtig, dass die Werft diesen Themen eine ganze Reihe von möglichen Optionen spendiert. Zum Beispiel lässt sich die J/99 mit einem Flossenkiel anstelle des Standard-L-Kiels ausstatten, was das Rating nach IRC begünstigt.

Und anstelle des tiefen und schlanken Ruders sind zwei kleinere Steuerflossen möglich, die weiter hinten nah am Heck eingebaut werden. Sie sind die richtige Wahl für längere Schläge im Einhand- oder Zweihandmodus. Als Option machbar sind auch integrierte Wasserballasttanks.

Zudem kann der Kunde wählen, ob er das Boot mit Spinnaker oder mit Gennaker ausstatten möchte – oder mit beidem. Dementsprechend kann der Bugspriet kürzer (nur 20 Zentimeter) oder länger (bis maximal 1,30 Meter) ausfallen.

Übrigens: Erstmals überhaupt baut die Werft mit der J/99 jetzt ein Sportboot mit einer fest angesetzten Bugnase und bricht mit ihrer eigenen Tradition: Die Johnstones haben den langen und seitlich ausziehbaren Bugspriet quasi erfunden und marktreif gemacht; der mobile Rüssel gilt immer noch als Markenzeichen von J/Boats. Die Werft begründet die Entscheidung mit Gewichtseinsparungen infolge wegfallender Strukturversteifungen im Bugbereich. Zudem kann auf langen Schlägen offshore kein Wasser mehr durch die Führungen des Bugspriets ins Schiff eindringen.

Verlagssonderveröffentlichung

D J/99 ist leistungsstark und steif

Die YACHT hat den Performance-Cruiser J/99 bei schönstem Frühlingswetter testen können, aber leider auch nur bei relativ wenig Wind zwischen 8 und 10 Knoten, dazu kaum Welle. Das Boot läuft an der Kreuz 6,3 Knoten und wendet über einen Winkel von 80 Grad. Das liegt im Bereich dessen, was man von einer leistungsorientierten Yacht dieser Ausrichtung erwarten darf.

Ausgerüstet mit dem selten gewordenen Spinnakerpaket, macht das Boot auch mit dem Wind eine gute Figur und kann dank der Möglichkeit, das Segel entsprechend nach Luv zu trimmen, auch tiefe Kurse segeln. Den Top-Speed von 7,4 Knoten erreicht die J/99 bei diesen Leichtwind-Bedingungen auf einem Winkel von 120 Grad zur wahren Windrichtung. Boote mit Gennaker werden höher segeln müssen, um diese Leistung zu halten.

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Vor allem hart am Wind segelt die J/99 sehr ausgewogen und spürbar steif. Beide Kielvarianten (L und Flosse) sind mit rund 1.600 Kilogramm ähnlich schwer, was einem vergleichsweise hohen Ballastanteil von fast 42 Prozent entspricht. Deshalb bringt die J im Vergleich mit dem Wettbewerb etwas mehr Gewicht auf die Waage.

Der Steuermann und der Großschoter sitzen Seite an Seite und können von ihren Positionen die Schoten und alle wichtigen Trimmeinrichtungen bedienen. Für Zweihand-Regatten und lange Strecken lässt sich das Layout im co*ckpit mit wenig Aufwand umbauen. Zum Beispiel kann man die Genuaschot über zusätzliche Blöcke umlegen und auch in Luv bedienen.

Die Beschläge werden dem Boot bereits ab Werft angebaut. Die 3D-Holepunkte gehören ebenfalls zum Lieferumfang. Das komplizierte, aber sehr effiziente Beiholer-System ist auf das Kajütdach auf der jeweils gegenüberliegenden Seite umgelenkt und wird von der Mannschaft auf der hohen Kante bedient.

Der Performance-Cruiser J/99 ist technisch ausgereift

Vorbildlich ist die Option von weiteren Luken an den Flanken der Duchten sowie am Kajütschott. Dies bringt zum einen mehr Licht unter Deck und bietet zum anderen die Möglichkeit, die losen Enden der vielen Fallen, Schoten und Trimmleinen elegant verschwinden zu lassen.

Die Pinnensteuerung ist der Standard. Dabei ist der Ruderkopf weit achtern am Heck platziert und nicht direkt mit der Ruderwelle verbunden, die sich etwa 70 Zentimeter weiter vorn befindet. Die Koppelung übernimmt eine Schubstange, bei zwei Ruderblättern entsprechend derer zwei.

Auf der Liste der Optionen ist zudem eine einfache Radsteuerung gelistet, was aber bei diesem co*ckpitlayout und bei dieser Ausrichtung abwegig erscheint: Ein mittiges einzelnes Rad wäre von den Sitzpositionen seitlich kaum zu greifen, und eine doppelte Radsteuerung ist nicht machbar. J/Composites will die Radsteuerung als Option aber dennoch anbieten, speziell für die USA.

Die Mechanik der Steuerung ist durch eine Luke im hinteren co*ckpitbereich sehr gut zugänglich. Allerdings ist die Anlage offen eingebaut, also ohne Abdeckung oder zusätzliche Trennschotten. Damit fällt die Achterpiek als Stauraum weg – das Risiko, dass sich hier Fender oder Festmacher in der Steuerung verheddern, ist zu groß. Das ist bedauerlich, weil es sonst im co*ckpit keine weiteren Stauräume für größere oder kleinere Sachen gibt.

Eine spezielle Erwähnung verdient das Aluminium-Rigg der J/99. Der Hersteller AG+ hat exklusiv für J/Composites ein Profil mit einer aufgesetzten Nut entwickelt, die aber nicht aufgeschraubt ist, sondern zusammen mit dem Rohr an einem Stück extrudiert wird. Dies verleiht dem Mast zusätzliche Festigkeit und reduziert das Gewicht. Das auf dem Kiel fußende Mastprofil wiegt – ohne stehendes und laufendes Gut – gerade mal 71 Kilogramm, was einem ähnlich großen Kohlefasermast schon recht nahe kommt. Ein Carbonrigg ist optional erhältlich, obwohl es nicht explizit auf der Liste der Optionen vermerkt wurde.

Weniger ist auch bei diesem Performance-Cruiser mehr

Jenseits des Niedergangs wird man von einem geradlinigen, schnörkellosen und nüchtern erscheinenden Interieur empfangen. Die Werft lässt auch beim Innenausbau keinen Zweifel an der fokussiert auf Leistung getrimmten Ausrichtung der J/99. Komfortable Gemütlichkeit ist deshalb unter Deck kein Thema, ganz bewusst nicht. Vielmehr dominiert innen die zwar einfache, aber zweckmäßige Funktionalität. Trotzdem: Wer in Sachen Komfort Kompromisse eingehen kann, wird die J/99 durchaus als Wohnboot entdecken, selbst für einen Törn mit der Familie.

Das Layout im Salon und achtern ist bei diesem Performance-Cruiser symmetrisch aufgebaut. Die Kojen in den Achterkabinen sind mit einer Breite von 1,30 Meter auf Höhe der Schultern aber nur bedingt für eine Doppelbelegung geeignet. Komfortabel schläft man auf den Sofakojen im Salon, die dafür lang und breit genug sind, wenn man die Rückenpolster entfernt.

Diese lassen sich als Option so gestalten, dass sie nach oben weggeklappt und mit einem längenverstellbaren Stropp am Kajütdach fixiert werden können. Damit ergeben sich darauf geräumige, offene Stauräume, die speziell Regattaseglern für ihre großen Taschen nützlicher sind als kleine Staufächer in Schubladen oder Kästen.

Das Vorschiff hingegen bleibt bis auf eine darin freistehende Toilette komplett leer. Hier können und sollen die Segel lagern oder andere Sachen, für die an Deck keine Stauräume zur Verfügung stehen. Wer seine J/99 auch zum Fahrtensegeln nutzen will, könnte sich eine zusätzliche Liegefläche einbauen lassen, zum Beispiel für die Kinder. Der Aufwand dafür wäre vergleichsweise überschaubar, weil das Kojenlager auf den seitlichen Stringern aufliegen könnte. Diese Möglichkeit wird vom Hersteller aber nicht speziell kommuniziert.

Ein Performance-Cruiser zu einem fairen Preis

Aus Gewichtsgründen verzichtet J/Composites für den Ausbau unter Deck auf Innenschalen, was unschöne Oberflächen mit groben Strukturen zurücklässt; vorstehende Schrauben für die Beschläge an Deck werden einfach mit Topcoat überpinselt. Regattasegler finden das wahrscheinlich nicht schlimm, vorausgesetzt, sie stoßen sich in den Kabinen nicht an den scharfkantigen Überständen den Kopf. Ärgerlicher ist jedenfalls die ungeordnet verlegte und schlecht beschriftete Verkabelung, speziell hinter dem Elektropaneel.

Der Grundpreise ab Werft beträgt für diesen Performance-Cruiser 165.290 Euro ohne Segel (Stand 6/23). Damit besetzt die J/99 preislich die goldene Mitte. Wie bei Performance-Booten üblich sind dabei die Kosten für die Segel allerdings noch nicht berücksichtigt. Für einen einfachen Satz (nur Groß und Genua) werden in der Bootsgröße wenigstens 10.000 Euro zusätzlich fällig. Die regattataugliche Garderobe mit einer flachen und einer tiefen Genua, dazu mit Spinnaker und/oder Gennaker wird das Budget noch deutlich intensiver belasten.

Die J/99 im Detail

Test J/99: Ein Performance-Cruiser, der seinen Namen verdient (11)Foto: YACHT

Technische Daten

  • Konstrukteur Alan Johnstone
  • CE-Entwurfskategorie A
  • Rumpflänge 9,94 m
  • Breite 3,40 m
  • Tiefgang 1,99 m
  • Gewicht 3,8 t
  • Ballast/-anteil 1,6 t/41,6 %
  • Großsegel 32,9 m²
  • Genua (105 %) 26,3 m²
  • Maschine (Volvo P.) 13 kW/20 PS

Rumpf- u. Decksbauweise

  • GFK-Sandwichkonstruktion mit Schaumkern gebaut im Vakuum-
    Infusionsverfahren mit Vinylesterharz

Preis

  • Grundpreis ab Werft 165.290 Euro ohne Segel

Garantie/gegen Osmose

  • 5/10 Jahre

Werft

Vertrieb

YACHT-Bewertung

Leistungsstarkes Konkurrenzboot für die Klasse der Performance-Cruiser um zehn Meter Rumpflänge. Das Boot ist wandelbar, je nach Einsatz und Vermessungssystem. Konkurrenzfähige Preisgestaltung

Konstruktion und Konzept

  • + Kompromissloses Sportkonzept
  • + Attraktive Linienführung
  • - Fehlender Stauraum im co*ckpit

Segelleistung und Trimm

  • + Perfekt umgesetztes co*ckpitlayout
  • + Segelt spürbar steif am Wind
  • + Sehr effiziente Trimmeinrichtungen

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Funktionaler Innenausbau
  • - Unschöne Oberflächen unter Deck

Ausrüstung und Technik

  • + Hochwertige Grundausstattung
  • + Bugspriet in verschiedenen Längen
  • - Mangelhafte Elektroverkabelung

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Test J/99: Ein Performance-Cruiser, der seinen Namen verdient (2024)

FAQs

What is a performance cruiser? ›

Performance Cruisers. The perfect balance of speed and comfort, providing excellent sailing performance while also offering spacious living accommodations and amenities for extended cruising. Yachts Builders of yachts Selling Brokers Description.

What is a cruiser used for? ›

Cruisers (CG)

These ships are multi-mission Air Warfare (AW), Undersea Warfare (USW), Naval Surface Fire Support (NSFS) and Surface Warfare (SUW) surface combatants capable of supporting carrier battle groups, amphibious forces or operating independently and as flagships of surface action groups.

What are the benefits of a cruiser? ›

You are in a foot-forward seating position with a seat that is lower — between 26 and 30 inches — than on other bikes, and a softer suspension, offering a more leisurely ride. Even on rocky terrain or uneven pavement, cruisers are comfortable to ride and won't put excess strain on your body.

What is a performance cruiser motorcycle? ›

Cruiser motorcycles built for higher performance than standard cruisers are often called power cruisers and feature more powerful engines, powerful brakes, and higher ground clearance to allow for a sportier experience despite the relaxed riding position.

What makes a motorcycle a cruiser? ›

Cruisers have a low seat height to ensure good balance, handling, and a low center of gravity. The handlebars position and the low seat height provide an upright back and a relaxed riding position. Most cruisers are also fitted with stock floorboards for riders that allow them to rest their feet while cruising.

What does cruiser mean in a car? ›

Cruise control is a feature on some vehicles that allows the driver to take their foot off the accelerator while the onboard computer maintains the vehicle's speed. Within cruise control, you can typically also adjust your speed up and down using buttons.

What's the difference between a bike and a cruiser? ›

Typically, you would see a cruiser rider sitting upright or leaning back, making them comfortable over long rides. Street bikes have more of a head-down seating position, which gives the rider maximum stability and control over high speeds. This position also improves the overall aerodynamics of the bike.

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